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Geburt einer Geschichte

Da ich immer wieder gefragt werde, wie ich zu den Geschichten komme, dachte ich mir, ich schreibe zur Abwechslung mal einen Schwank aus meinem Leben. Denn ob ihr es glaubt oder nicht, ich frag mich das genauso wie ihr da draußen und vor allem recht häufig.

Bei mir hat es im zarten Alter von elf Jahren begonnen, dass ich mir Geschichten ausgedacht habe. Anlass war eine Kretareise mit meinen Eltern und was macht so ein kleines Mädchen, wenn sie im Auto sitzt und sich langweilt, im Hotel genervt wartet, bis es endlich zum Strand geht oder am Abend bei Tisch lümmelt und schon längst fertig ist? Was wenn die nicht enden wollenden Ausflüge einen schon ganz irremachen und die ellenlangen Spaziergänge von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten nicht aufhören wollen? Tja, dass kann ich euch sagen – Ablenkung, Ablenkung, Ablenkung. Ich habe mir Fantasiegeschichten überlegt, bunte Welten im Geiste kreiert und meine Helden darin kämpfen und lieben lassen. Dass heißt, in jeder freien Sekunde, habe ich den Film vor meinen Augen abgespielt und meine Geschichte erzählt und erlebt. So lange, bis sie abgegriffen oder fade wurde und ich mir eine neue überlegen musste.

Diese praktische Gabe konnte mir somit jede Pause oder langweile Passage versüßen und schrumpfte somit den Tag in nur essentielle, spannende und dazwischen fantasievolle Sequenzen. Doch diese Tagträume breiteten sich aus und erlangten mehr Macht und Kontrolle über ihren Wirt. Denn je älter ich wurde, desto realistischer konnte ich mir die Erzählungen vorstellen. Ich fühlte Berührungen, ich schmeckte exotische Früchte, ich roch den Ozean oder die lodernden Flammen im Kamin. Ich vermochte die feinen Härchen auf den Ohren meiner Fabelwesen erkennen und wusste, wie es sich anfühlte fliegen zu können … So war es auch nicht wunderlich mich am Beifahrersitz mit einem breiten Grinsen zu ertappen. Wenn ich in der U-Bahn wegdriftete war es ja noch kein Problem außer ein paar zu viele verpasste Stationen, aber stellt euch das mal in einer wichtigen Besprechung in der Arbeit vor – nicht auszudenken? Aber doch passiert! Und ich schwöre euch, wenn man gerade auf der Flucht vor einem Monster ist und dann im nächsten Moment in die Augen der Chefin sieht, die einem eine Frage stellt und zwölf Augenpaare auf einen gerichtet sind, da hört sich sogar das eigene Schlucken wie eine Alarmsirene an.

Das war der Augenblick, wo ich wusste, die Geschichten nehmen überhand und kriechen aus allen Ecke und Enden meines Bewusstseins und Unterbewusstseins. Ich konnte ihren gierigen Hunger nach Aufmerksamkeit und den verzweifelten Kampf auf Freiheit nur nachgeben, indem ich sie niederschrieb. Ich dachte mir, wenn ich meinen Kopf neige und sie wahllos aufs Papier rieseln lasse, dann geben sie mir ein für alle Mal Ruhe. Und die gute Nachricht – es war auch so. Die schlechte – das war erst der Anfang …

 

Wenn ihr wissen wollt, was diese Geschichten mit mir nachts so anstellen, dann schaut in den nächsten Tagen mal wieder rein – ihr werdet euer blaues Wunder erleben ;o)

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