Gastbeitrag by Fadenvogel

Hallo zusammen! Es ist mir eine Freude und Ehre, dass eine ganz tolle Bloggerin, die eine große Kritikerin und Unterstützung für mich ist, meiner Einladung gefolgt ist, um mir ihre Sicht zum Thema Lesen mitzuteilen. Da ich euch ständig aus Autorensicht meine Eindrücke kundtue, war es mir ein Bedürfnis auch einmal die andere Seite zu betrachten. Genießt es, so wie ich auch 😀

Über das Lesen!

Celeste Ealain hat mich eingeladen, hier auf ihrem Blog einen Gastbeitrag zu verfassen. Ich habe sofort begeistert zugestimmt. Ich bin ein Fan dieser Autorin und habe auf meinem Blog fadenvogel.de schon einige Male über sie berichtet und ihre Bücher rezensiert. Wir haben uns auf der Büchermesse das erste Mal live getroffen und Celeste hat diese Einladung ausgesprochen. Das Thema meines Gastbeitrages sollte das Lesen beleuchten.
Verlier dich in meiner Welt, schreibt Celeste auf ihrer Homepage. Doch was ist das Lesen eigentlich? Wie habt ihr das Lesen gelernt?

Es gibt Menschen, die lesen ununterbrochen. Alles. Die Werbekolumne auf der Cornflakes-Packung, Plakate auf der Strasse, Schlagzeilen am Zeitungskiosk, Schilder, Graffiti, Zeitungen die achtlos in einem Bus zurückgelassen wurden! Ich kann mich an einen Moment in meiner Kindheit erinnern. Ich bin eine Strasse entlang gelaufen, wahrscheinlich an der Hand meiner Mutter. Ich muss ein Kindergartenkind gewesen sein, denn ich konnte noch nicht lesen. Ich habe mir die erwachsenen Menschen, die an uns vorbei gelaufen sind, angesehen und dachte: „Die können alle schon lesen.“ Genau das dachte ich und ich erinnere mich an das Gefühl. Ich habe um mich herum geblickt und alle Buchstaben, die wie eine fremde Welt für mich waren, angesehen und gedacht: „Das können sie lesen, und das da drüben und dieses Schild dort.“ Ich war neidisch. Abgrundtief neidisch. Ich konnte es nicht erwarten, lesen zu lernen. Es kam mir vor wie der Schlüssel zu einer eigenen Sprache, einer mir verschlossenen Welt.

Ich bin bald darauf in die Schule gekommen und wir haben mit den ersten Buchstaben angefangen. Ich kann mich noch an den allerersten Buchstaben erinnern. Es war das O. Wir haben lauter Os geschrieben, wir haben ein Plakat gemalt und es im Klassenzimmer aufgehängt. Ich bin sehr aufgeregt nach Hause gekommen und habe bei der ersten Gelegenheit ein Buch aus dem Regal genommen und dachte, jetzt könne ich es endlich lesen. Im Bücherregel meiner Eltern gab es eine Biographie über Cleopatra. Der Einband war golden und es war ein ägyptisches Symbol darauf. Mein Vater hat mir sehr sanft über den Kopf gestrichen und gesagt, dass man mit einem einzigen gelernten Buchstaben noch nicht bereits lesen könne und es noch dauern würde. Ich könne das Buch aber haben und alle Os lesen, die es darin gäbe. Ich war sehr enttäuscht, denn ich habe die erste Seite aufgeschlagen und aus dem Tanz an unbekannten Zeichen erschien nur das O. Ich verstand sonst nichts. Damit hatte ich nicht gerechnet. das es so ein langer Weg sein würde, bis man alle Buchstaben zu einem Wort im Kopf formen kann und aus allen gelesenen Worten Bilder entstehen.

Es dauerte tatsächlich einige Jahre bis ich den Schlüssel schließlich in der Hand hielt und das Lesen gelernt habe. Ich las Kinderbücher. Ich las auch englische Internatsgeschichten, Reihenbände. Ich las Pferdebücher, was mich aber nie sonderlich interessierte und ich las Mädchenbände. Mit 13 Jahren las ich den ersten Band von Heike und Wolfgang Hohlbein. Fantasy machte mich damals fertig. Ich konnte nicht mehr aufhören, las viele weitere Bücher, manchmal auch heimlich unter der Bettdecke. Ich habe mich in den Jungen in den Büchern ein bisschen verliebt. Und in der Bilderwelt in meinem Kopf war ich mit in den Abenteuern dabei. Das Lesen kann uns nämlich entführen. Es kann eine innere Unruhe auslösen und man kann sich nicht mehr wirklich auf etwas anderes konzentrieren. Man ist zu gespannt, im wahrsten Sinne des Wortes, wie wenn eine innere Saite angespannt wäre kurz vor dem Zerreißen.

In meinem Leben habe ich auch zeitweise wieder aufgehört mit dem pausenlosen Lesen. Plötzlich verebbt es, es hört auf, man empfindet das Buch als Last und legt es zu Seite. Einmal habe ich ein Buch im Bus gelesen, auf dem Weg zu meinem ersten Freund, ich habe schwer geseufzt und fand es langweilig und träge. Ich bin aus dem Bus ausgestiegen und habe es in den Mülleimer geworfen. Das ganze große Buch, wie andere Buspassagiere ihre Bäckereitüte zusammengeknüllt in den Müll geworfen haben. Auch daran kann ich mich sehr gut erinnern, an das Gefühl der lesenden Last.

So ist das mit dem Lesen – es kann alles sein. Eine Last und der größte Kopforgasmus, eine Pflicht und die wahre Liebe. Das Lesen macht uns zu Menschen. Es ist ein Gespräch zwischen uns und dem Autor über alle menschlichen Grenzen hinaus. Ein Gespräch, dass über den Tod, das Leben und die Jahrhunderte hinaus geht. Wir glauben ja sogar, dass Gott selbst uns ein Buch hinterlassen hat, dass wir lesen sollen. Das Spektrum ist unermesslich groß.

Ein Autor schreibt. Ein Leser liest. Doch der Autor schreibt nur seine Worte, der Leser kann jedes Gespräch aufgreifen, er kann sich abwenden, er kann aber auch seine eigenen Gefühle aus dem Text herausholen und durchlebt sie tatsächlich. Wahrscheinlich viel mehr, als der Autor selbst es je mit seinem eigenen Text könnte. Verlier dich in meiner Welt, so schreibt die Autorin dieses Blogs. Und das Lesen und nicht das Schreiben ist der Schlüssel.

Sabine Rest

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